Differenzierung ist DAS grosse Schlagwort für erfolgreiche Markenführung. Denn ohne sie gibt es keine Abgrenzung zum Wettbewerb, keine Eigenständigkeit, keine Identität. Und auf lange Sicht keine Überlebenschance auf dem Markt. Doch wie unterscheiden sich erfolgreiche Unternehmen und deren Marken von ihren Wettbewerbern? Wie sehen konkrete Ansätze für eine nachhaltige «Points-of-Difference-Strategie» aus? Wir haben nachgefragt bei Damaris Lienhard, geschäftsführende Direktorin und Marketing-Chefin von «Hof Weissbad».
Hof Weissbad ist einiges mehr als ein «Standard-Hotel für gehobene Ansprüche». Nicht nur, dass ein Restaurant mit 16 Gault Millau-Punkten zur Einrichtung dazu gehört und das Unternehmen den «Swiss Arbeitgeber Award» verliehen bekam. Auch die «Kunsttage im Hof» mit jeweils hochkarätigen Kunstschaffenden sowie eine kantonal anerkannte Klinik zur Rehabilitation sind Bestandteil von Hof Weissbad.
Frau Lienhard, was halten Sie von der Behauptung: «Sich innerhalb der eigenen Branche über reine Leistungen vom Wettbewerb zu differenzieren, ist heute fast ein Ding der Unmöglichkeit.»
Richtig, es ist fast unmöglich. Differenzierung gelingt weder über die reine Leistung und schon gar nicht über den Preis.
Abgrenzung MUSS über Einzigartigkeit laufen. Bei uns gehört die Besonderheit des Appenzeller Brauchtums dazu, die Gastlichkeit. Aber auch, dass wir praktisch ein zweites Zuhause für unsere Gäste werden. Was zählt, sind Herzensangelegenheiten, persönliche Begegnungen mit unseren regionalen Mitarbeitenden und deren Geschichten und dass wir Menschen in ihren Sehnsüchten wahrnehmen und ihnen Verblüffungen bescheren.
Was wiegt bei einer erfolgreichen Differenzierungs-Strategie stärker: Rationale oder emotionale Merkmale – oder macht`s die richtige Mischung?
Natürlich kommt es da wie überall im Leben auf die richtige Mischung an.
Emotional bei den Menschen, rational im Büro. Aber wenn wir von Strategie sprechen, ist natürlich das klar: Man muss sich überlegen, was für Ziele man verfolgt und wie man diese erreicht.
Als wir vor über 20 Jahren Hof Weissbad an der Stelle des alten Kurhotels neu aufgebaut haben, haben wir uns vom ersten Moment an mit einer Mischung aus Hotel, Wellness und Klinikanteil positioniert. Wir haben uns gefragt, was es braucht, um über das ganze Jahr hinweg eine gute Auslastung zu haben. Die Antwort lag in einem gut durchmischten Kundenstamm aus Gesundheits- und Seminargästen aber auch Individual- und Kurgästen. Da wir dieses Konzept von Anfang an im Kopf hatten, wurde die neue Anlage gleich dementsprechend gebaut. Es bleibt allerdings eine Gratwanderung, immer jugendlich und «sexy» genug zu sein, um Wellness, aber auch Genuss und Freude zu vermitteln … und doch auch den Ansprüchen von Gesundheitsgästen und Klinik gerecht zu werden.
Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach der Claim für die Positionierung?
Der Claim bringt die Positionierung nochmals auf den Punkt. In unserem Fall besteht er aus den zwei Kernbegriffen Appenzell und Gesundheit. Warum wir diese gewählt haben, erkläre ich gerne, muss dafür aber kurz einen «Schlenker» machen.
Bereits das alte Kurhaus Weissbad hatte mit sogenannten «Molkenkuren» grossen Erfolg. Denn auch damals war der Standort Weissbad und das Appenzellerland im Allgemeinen bekannt für wunderbare Natur und gesundheitsförderndes Klima. Das alte Kurhaus wurde dann 1993 zugunsten des Neubaus, den wir jetzt haben, abgerissen.
Als wir 1994 das jetzige Weissbad eröffneten, wussten wir schon, dass wir die bekannten und geschätzten Werte, für die das Weissbad seit jeher stand, weiter pflegen und kommunizieren wollen.
Wir haben daher beim Claim auf diese Werte gesetzt, ihn aber leicht modernisiert. Gesundheit ist als Begriff mit positiven Inhalten besetzt: Wohlbefinden oder Leistungsfähigkeit zum Beispiel. Des Weiteren bezieht sich Gesundheit auf die gesunde Lage, aber auch auf das Konzept: ein Hotel, dem Wellness und Klinik angegliedert sind. Appenzell steht für Tradition und Brauchtum. Aus beidem haben wir daher den Claim gebildet, wie er heute lautet: «Appenzell und Gesundheit».
Ihr Unternehmen punktet aber nicht nur mit langer Tradition und ausgefeiltem Konzept. Im 2014 sind Sie bereits zum zweiten Mal in Folge mit dem «Swiss Arbeitgeber Award» ausgezeichnet worden. Offensichtlich leisten Sie als Arbeitgeber etwas Besonderes, das Ihre 187 Mitarbeiter begeistert und motiviert. Welche Rolle spielen die Mitarbeiter Ihrer Meinung nach für den unternehmerischen Gesamterfolg?
Neben den vorhin erwähnten besonderen Dienstleistungen sind unsere Mitarbeiter der zweite und wichtigste Erfolgsfaktor für uns. Daher wird Mitarbeiter-Pflege bei uns gross geschrieben.
In einem Unternehmen wie Hof Weissbad ist es nötig, dass alle Mitarbeiter irgendwie authentisch «denken», denn sonst kommt das besondere Gefühl, welches wir vermitteln wollen, nicht bis zu den Gästen rüber. Dafür ist es aber wichtig, dass sich unsere Mitarbeitenden mit unseren Ideen identifizieren. Und das können sie nur, wenn sie sich gewertschätzt fühlen. Immerhin verlangen wir ganz schön viel von ihnen.
Wie erreicht man das? Wie zeigt man Mitarbeitenden, dass sie wichtig und besonders sind?
Man muss mit Mitarbeitern umgehen wie mit Freunden und ihnen mehr anbieten als den Monatslohn einer Arbeitsstelle. Nur so gelingt es, gute Fachkräfte auf Dauer in seinem Unternehmen zu halten und den Unternehmens-Spirit zu leben.
Aus diesem Grund bemühen wir uns konstant, unserem Team zu zeigen, wie sehr wir die erbrachte Leistung schätzen. Dazu gehört etwa, dass wir die Meinungen und Ideen unserer Mitarbeiter, gerade auch die des Kaders, würdigen und aufgreifen. Unsere Mitarbeitenden tragen viel Eigenverantwortung, haben zugleich aber auch viel Freiräume, ihre Ideen umzusetzen. Mein Mann und ich steuern nur dort gegen, wo wir klare Fehler entdecken. Ansonsten haben wir einfach grosses Vertrauen in unsere Leute. Des Weiteren ist es für uns eine Selbstverständlichkeit, dass an Wochenenden Lohnzuschläge gezahlt werden und dass wir Aus- und Weiterbildungen fördern. Und bei Kummer und privaten Sorgen pflegen wir eine Politik «der offenen Bürotür» und unterstützen auf familiäre Art wo immer wir nur können.
Bleibt denn auch noch Zeit, den Mitarbeitenden einmal auf privater Ebene zu begegnen?
Aber sicher! Dazu haben wir beispielsweise unser Mitarbeiterfest. Das erste haben wir vor 20 Jahren gefeiert: Ein Tanzfest. Schon damals wollten wir uns mit diesem Fest bei allen bedanken, die uns so tatkräftig begleiten. Wir haben daher ein Fest gefeiert, bei dem einmal unsere Mitarbeitenden nach allen Regeln der Kunst verwöhnt wurden. Das feiern wir seitdem jedes Jahr so.
Starkes Konzept, ein hochmotiviertes Team – reicht das aus, um Ihre Dialoggruppen auf sich aufmerksam zu machen? Oder betreiben Sie auch klassische Werbung? Was tun Sie konkret, um Ihre Werte und Botschaften in den Markt zu tragen und bei den Zielgruppen zu verankern?
Werbung braucht jeder. Aber es reicht nicht «irgendeine» Werbung zu machen. Wenn wir nach aussen gehen, muss unsere Werbung verblüffen und ans Herz gehen. Sie muss emotionalen Nachhall haben. Ich gebe da gerne einige Beispiele. Eines wäre, dass wir 50 Stammgäste einladen, mit uns einen besonderen Anlass in Zürich zu feiern. Etwa im Haus Appenzell. Dort verbringen wir mit unseren Gästen als aufmerksame Gastgeber den Abend, verwöhnen sie kulinarisch und musikalisch. Zudem versenden wir ein bis zwei Mal im Jahr Post an unsere Gäste. Ein einfallsreiches Mailing, das über unsere Leistungen informiert. Und alle zwei Jahre publizieren wir ein Büchlein «Hofweissbad-Geschichten». Z.B eines über Innerrhoder Dialekt – quasi als Wörterbuch. Oder ein anderes mit dem Titel «Sagenhaftes Appenzellerland». Das senden wir als besonderes Geschenk an unsere Gäste. Die Rückmeldungen dazu sind wunderbar.
Wie sehen Sie die Zukunftsperspektiven. Mit einem Gästestamm, der zu 97% aus dem Inland stammt und zudem im höheren Alterssegment liegt, haben sie eine sehr stabile Kundschaft. Vermutlich werden Sie dennoch Interesse daran haben, auch jüngeres Publikum in Ihr Haus zu bringen – oder ist das ein Irrtum?
Sicher werden wir in Zukunft schauen müssen, auch jüngere Personen für uns zu gewinnen. Aber bisher läuft das sehr gut. Auch Jüngere schätzen unsere Gesundheitsangebote, wollen präventiv etwas für ihr Wohlbefinden tun und sich im hektischen Berufsleben vor Ausgebrannt-Sein schützen. Da haben wir mit unseren Angeboten rund um Entspannung, Sport und Ernährung einiges zu bieten. Ergänzend stellen wir unsere Genuss-«Pakete» zur Verfügung. Sei das nun Stricken am Kamin oder unser «Cupcake-Angebot», wo gerade junge, vielbeschäftigte Frauen bei uns diese kleinen Kuchen dekorieren und sich nebenbei etwas Gutes mit Wellness tun. Eine Besonderheit unseres Hauses ist sicher auch, dass wir das einzige zertifizierte F. X. Mayr-Hotel in der Schweiz sind.
X. Mayr? Nun müssen Sie mir auf die Sprünge helfen…
Franz Xaver Mayr war ein österreichischer Arzt. Er hat eine diagnostisch-therapeutische Methode entwickelt, um Stoffwechsel und Allgemeingesundheit zu analysieren.
Im nächsten Schritt hat er die F. X. Mayr-Kur entwickelt. Das ist eine besondere Entschlackungskur, die Körper und Seele gleichermassen gut tut. Bei uns kann man diese Kur bei Herrn Dr. Gerold Honegger machen.
Verraten Sie uns noch, welche Fehler man beim Führen eines Unternehmens unbedingt vermeiden sollte?
Oft neigen wir dazu, zu wenig zu kommunizieren oder Rückfragen zu stellen. Wer mit Menschen zu tun hat, muss zuhören. Was beweglich sein muss, geht schnell. Und dann geht auch mal schnell ein Fehler durch. Fachliche Fehler verletzen oft auch menschlich. Dessen muss man sich bewusst sein. Daher meine ich: Echte Grösse heisst, auch «Schmarren» zuzugeben. Und nicht nur den Fehler bei den anderen zu suchen.
Und Ihr Schluss-Statement?
Nur wer Innovation mit Herz lebt, kann Gäste halten. Es wird die Zeit kommen, wo man in die Tiefe gehen muss, um die Höhe zu erreichen. Dabei sind Ehrlichkeit und Wertschätzung besonders wichtig.
Frau Lienhard, herzlichen Dank für das Gespräch.
Hier ein Einblick in den Hof Weissbad und dessen Umgebung:
Mehr Eindrücke zum Hotel Hof Weissbad finden sie auf der Website.