In unserer Beratungstätigkeit stossen wir häufig auf das Vorurteil, dass KMU nicht die nötigen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Markenführung besitzen. Wir sind da aber ganz anderer Meinung und haben an einem IHK Business Lunch einen Vortrag zu diesem Thema gehalten. Den Inhalt unserer Präsentation haben wir nun auch als Blogbeitrag festgehalten. Lesen Sie mehr über die Grundsätze der Markenführung, lernen Sie praktische Tipps für den Alltag kennen und werfen Sie einen genaueren Blick auf einen authentischen und überzeugenden Ostschweizer KMU-Auftritt.
Wenn wir an Marken oder Branding denken, kommen uns vermutlich zuerst Logos in den Sinn. Doch dieses stellt nur das visuelle Erkennungszeichen für ein Unternehmen oder ein Produkt dar und macht noch lange keine Marke aus. Wie Ihre Anspruchsgruppen Ihre Marke als Ganzes wahrnehmen, hängt von vielen weiteren Faktoren ab, zum Beispiel von der Bildwelt, der Tonalität der Webseitentexte, der Gestaltung der Verkaufsstellen oder auch, wie Mitarbeitende mit einer Kundenreklamation umgehen.
Eine Vielzahl von Faktoren beeinflussen unsere Wahrnehmung von Marken. (Quelle: eigene Darstellung)
Für den Erfolg Ihrer Marke ist es sehr wichtig, dass über all diese Kanäle ein konsistentes Bild vermittelt wird. Wenn auf Ihrer Website zum Beispiel eine kühle, unpersönliche Atmosphäre vorherrscht, Sie Ihre Mitarbeitenden aber anweisen, Kunden im Ausstellungsraum wie Freunde zu begrüssen, wird Ihre Marke kaum je erfolgreich sein, egal wie viel Geld Sie in die Werbung investieren. Denn mit Ihrer Markenbotschaft geben Sie Ihren Anspruchsgruppen ein Versprechen ab, was sie von Ihrer Marke erwarten können. Wenn Sie an jedem Ort etwas Anderes versprechen, wird Ihnen niemand glauben, geschweige denn Vertrauen zu Ihnen fassen können.
Das Vorstellungsbild, das sich bei Ihren Anspruchsgruppen in Bezug auf Ihre Marke bildet, nennt man Image. Es ist das Abbild der Corporate Identity, d.h. dem Selbstbild, das Sie von Ihrem Produkt oder Ihrem Unternehmen haben und kommunizieren. Im Grunde genommen ist es nicht anders wie bei einem neuen Nachbarn: Sie erfahren zuerst seinen Namen, können daraus vielleicht erste Hinweise über seine Person ableiten (Geschlecht, Herkunft) und nach und nach lernen Sie die Person kennen und entscheiden dann, ob Sie ihm im Notfall Ihren Hund anvertrauen würden.
Mit einem Unternehmen ist es nicht anders: Damit Vertrauen und eine Beziehung aufgebaut werden können (Identifikation) und der Unterschied zum Konkurrenten deutlich wird (Differenzierung), muss es an Anonymität verlieren und ein «Gesicht» erhalten. Dies gibt den Konsumenten Orientierung im Angebotsdschungel und beeinflusst das Wahlverhalten beim Kauf eines Produkts oder beim Bezug einer Dienstleistung.
Der Unterscheid von Corporate Identity und Corporate Design (Darstellung in Anlehnung an argus-design.com)
Ein Unternehmen kann sein Image nie vollends kontrollieren, aber es kann mit strategischem, gezieltem Branding positiv beeinflusst werden. Die Anspruchsgruppen spielen also im Markenbildungsprozess eine zentrale Rolle, oder wie Al Ries sagt:
Starke Produkte werden in der Fabrik gebaut und starke Marken in den Köpfen der Konsumenten.
Wenn es Ihnen als Unternehmen gelingt, im Bewusstsein Ihrer Anspruchsgruppen als starke Marke wahrgenommen zu werden, haben sie es nicht nur leichter, ihre Botschaften zu vermitteln, sondern sie können auch Kunden an sich binden, neue Produkte einfacher lancieren, den preispolitischen Spielraum optimal nutzen und sich leichter Zugang zu Kapital verschaffen.
Die Marke hat einen entscheidenden Einfluss auf unsere Wahrnehmung von Produkten
Bestimmt kennen Sie das berühmte Beispiel vom Coca-Cola-Pepsi-Blindtest:
Im Blindtest, in dem die Probanden die Marke des Getränks nicht kennen, waren nur 44 Prozent der Meinung, dass ihnen Coca-Cola besser schmecke. Wurde den Probanden die Getränkemarke aber genannt, schnellte die Zahl auf ganze 65 Prozent hoch. Ein beeindruckendes Resultat, das deutlich zeigt, wie stark der Einfluss der Marke auf die Wahrnehmung von Produkten oder Unternehmen ist.
Als KMU Vorteile in der Markenbildung nutzen
Da erfolgreiche Markenbildung nicht grundsätzlich eine Frage der Grösse des Unternehmens ist, bietet Branding auch kleineren Unternehmen die Chance, sich zu differenzieren und ihre Mitbewerber hinter sich zu lassen. KMU haben gar Vorteile, wenn es um die Markenführung geht:
- In KMU beginnt die Markenbildung meistens bei der Unternehmensgründung und ist erstmals Chefsache. Branding wird dadurch ein ganzheitliches Unternehmensthema und erhält abteilungsübergreifend die notwendige Bedeutung. Die Markenstrategie wird aus dem Unternehmen heraus entwickelt.
- Die Mitarbeitenden können aufgrund überschaubarer Strukturen in KMU oftmals besser einbezogen werden. Da die Identifikation mit dem Unternehmen meist hoch ist, leben die Mitarbeitenden die Werte der Marke im Alltag und machen die Unternehmensidentität dadurch erlebbar.
- Von schlanken Managementstrukturen und raschen Entscheidungswege profitiert auch die Markenbildung.
Im Gegensatz zu grösseren Unternehmen mit höheren Marketingbudgets verlangt der Markenaufbau in KMU aber mehr Konsequenz – sowohl in der Konzeption als auch in der kommunikativen Umsetzung. Ständige Re-Positionierungen und Wechsel zentraler Botschaften können sich KMU nicht leisten.
Eine Unternehmensmarke langfristig und strategisch aufbauen
Die drei Säulen der Markenführung heissen Identität, Positionierung und Inszenierung. Folgende Fragen helfen Ihnen dabei, den Kern Ihrer Marke freizulegen:
Bevor Sie also über eine Modifizierung Ihres Logos oder Ihres Claims, ein Redesign Ihrer Website oder Imagefotos nachdenken, benötigen Sie Antworten auf diese Fragen – abgeleitet von Ihrer Unternehmensstrategie und langfristig ausgerichtet. Besprechen Sie diese Themen ruhig mit Mitarbeitenden und Kunden. Eine Aussenperspektive bringt oftmals überraschende Erkenntnisse zu Tage.
7 praktische Tipps für KMU im Alltag
1. Für den Markenaufbau braucht es sowohl den Chef als auch die Mitarbeitenden.
- Eine starke Marke setzt eine starke Persönlichkeit voraus. Markenführung ist Chefsache und nicht delegierbar.
- Die Markenentwicklung sollte als Top-Down-Prozess starten und sich im Laufe des Projektes zu einem Bottom-up-Prozess weiterentwickeln.
- Eine starke Marke wirkt von innen nach aussen. Befragungen zeigen, dass Kunden und Mitarbeiter eine etwa gleichrangige Bedeutung für den Wert einer Marke haben.
- Fehlt die Identifikation der Mitarbeitenden, wirkt sich das negativ auf die Erfüllung der Leistungsversprechen von Marken aus.
2. Denken Sie strategisch und in Prozessen.
- Die Marke ist kein reines Marketingthema, sondern berührt die gesamte Unternehmensausrichtung. Es geht um die durchgängige Verankerung der Markenidentität an allen relevanten Kundenkontaktpunkten entlang der gesamten Prozessketten.
- Markenmanagement ist integriertes Kommunikations- und Prozessmanagement. Synchronisieren Sie Markenversprechen mit Leistungsprozessen.
3. Schaffen Sie einen Zweiklang von Text und Bild.
- Fokussieren Sie in Ihren kommunikativen Aussagen.
- Schaffen Sie eine Harmonie und klare eindeutige Assoziationen von sprachlichen Aussagen und bildlicher Kommunikation.
- Investieren Sie in gute Imagebilder statt Stockfotos, um eine unverkennbare, einheitliche Bildsprache zu verwenden und sich von Konkurrenten deutlich abzuheben.
4. Folgen Sie den Grundregeln des Markenaufbaus und nicht Werbe- oder Designmoden.
- Differenzieren Sie Ihre Marke im Wettbewerb und justieren Sie in kleinen Schritten.
- Haben Sie Mut. Ob Naming, Logo oder Design: Suchen Sie die Einzigartigkeit und brechen Sie (Branchen-)Konventionen.
5. Setzen Sie konsequent auf das Branding-Dreieck:
a. Markennamen und Claim:
- Vermeiden Sie nichtssagende Markennamen und setzen Sie auf assoziationsstarke Namen (z.B. «Haargenau» für einen Coiffeure-Salon oder «Fernweh» für ein Reisebüro).
- Der Claim soll die Positionierung zum Ausdruck bringen und nicht bei jedem Kampagnenwechsel ausgetauscht werden. Claims sind die beste Chance, Ihre Positionierung fokussiert auf den Punkt zu bringen und somit eindeutige verbale Assoziationen an Ihre Marke zu binden.
b. Markenzeichen/Logo:
- Stellen Sie sicher, dass das Logo positionsrelevante Assoziationen vermittelt – durch Farbe, Form und Sujet.
- Das Markenlogo sollte zusammen mit dem Markennamen kommuniziert werden, weil dadurch bessere Lern- und Erinnerungsergebnisse erzielt werden.
c. Design:
- Setzen Sie beim Design auf Prägnanz und Differenzierungskraft. Sie sind entscheidend für die Wiedererkennung.
- (Bewegt-) Bilder sagen mehr als Worte.
- Führen Sie ein Markenhandbuch / CD-Manual und sichern Sie damit einen konsistenten Auftritt.
6. Inszenieren Sie Ihre Marke zu einem (emotionalen) Markenerlebnis und bauen Sie Ihre Kundenkontaktepunkte langfristig und fokussiert auf.
- Aktivieren Sie Ihre Zielgruppen über alle Sinnesorgane.
- Nutzen Sie Werte, Empfindungen, Erlebnisse etc., um Ihre Marke positiv aufzuladen.
- Machen Sie Ihre Marke greifbar und erzählen Sie Geschichten.
- Arbeiten Sie immer mit Bild- und Textsprache.
7. Bewahren Sie als Chef langen Atem und kümmern Sie sich um Ihren Brand.
- Geben Sie Ihrer Marke Zeit, sich zu entwickeln und sich zu entfalten.
- Erfolgreiche Markenführung bedeutet, sich so um den eigenen Brand so zu kümmern, dass dieser langfristig für die Kunden, Investoren und andere Ansprechgruppen attraktiv bleibt.
- Eine gute Markenvision muss langfristig ausgerichtet sein. Idealerweise sollte sie daher vom Firmeninhaber definiert werden, der sein persönliches Engagement miteinbringt und sich nicht an kurzfristiger Gewinnmaximierung ausrichtet.
- Führen Sie die Marke konsequent und stellen Sie einen konsistenten Auftritt sicher, z.B. mit einem aktuellen CD-Manual. Justieren Sie gut überlegt und nehmen Sie Veränderungen in kleinen Schritten vor.
- Seien Sie stolz auf Ihre Marke.
Die Goba macht es vor
Ein gutes Beispiel für Markenführung in kleineren und mittleren Unternehmen ist die Goba. «Mineralwasser können viele, und viele können es gut», erklärte Gabriela Manser, CEO der Goba, unlängst im Magazin Lovebrands. «Es ist etwas <Sternenstaub> an unserer Marke, der leuchtet und die Leute zu unserer Marke greifen lässt.» In anderen Worten: Die Goba sucht den unternehmerischen Erfolg nicht über das «beste Mineralwasser» oder den günstigsten Preis, sondern ganz klar über das Image. Dabei gelingt es dem Ostschweizer Betrieb, seine Identität – z.B. die Region Appenzell, Naturverbundenheit, Nachhaltigkeit und Natürlichkeit – über sämtliche Kommunikationsmittel durch ein einzigartiges Storytelling und eine einmalige Bildsprache authentisch zu vermitteln.
Obwohl ein Softgetränk nicht per se ein emotionales Produkt ist, weckt die Marke Goba Sehnsüchte und regt zum Träumen an, indem sie Bezug zum Appenzellerland herstellt und dieses als eine Art Märchenwelt darstellt. Dieses Bild nimmt die Goba auch an anderen Orten auf: z.B. in den geheimnisvollen klingenden Produktnamen, abgeleitet aus dem Appenzellerdialekt (z.B. «Flauder» von Flickflauder für Schmetterling), in der «märchenhaften» Entstehung des Flauders oder auch in einer Sprache, die an eine Märchenerzählung erinnert:
«Niemand kann vorhersagen, wo das Wasser in einer Regenwolke einmal endet, was seine Geschichte sein wird.»
Die Themen aus dem Storytelling werden gekonnt in die Bildwelt übertragen, so dass ein harmonischer Eindruck entsteht. Auch hier wird mit dem Thema Feenland gespielt und die Scherenschnittbilder machen den Bezug zum Appenzellerland deutlich. Der Goba ist es über die Jahre gelungen, in den Köpfen der Zielgruppe eine eindeutige visuelle Sprache zu verankern.
Alles in allem kann also gefolgert werden, dass die Marke Goba nicht nur wegen ihrer innovativen Produkte so erfolgreich ist, sondern auch, weil der Kern der Marke – die Identität – sehr gut herausgearbeitet und auf sämtliche Kommunikationsmittel übertragen wurde. Einige Beispiele dazu:
- Die Etiketten auf den Flaschen haben seit über 15 Jahren auf der Innenseite ein Bild. Das kostet zwar mehr als eine einseitig bedruckte Etikette, macht das Produkt aber zu etwas Speziellem.
- Seit einigen Jahren gibt es einen Adventskalender der Goba, gestaltet von einer regionalen Künstlerin oder einem regionalen Künstler. Dies zielt nicht in erster Linie auf den Produkteverkauf ab, sondern stärkt das Image.
- Auch die Website, der Blog oder die Beiträge auf Facebook stellen nicht primär die Produkte in den Fokus, sondern ein bestimmtes Lebensgefühl. So kann auf der Website die Reise eines Wassertropfens wie eine Märchengeschichte miterlebt werden. Diverse Elemente auf der Website sind zudem sehr schön und aufwändig animiert, um den Eindruck von feenhafter Leichtigkeit zu vermitteln.
- Besonders erwähnenswert ist die Flauderei, die 2014 eröffnet wurde. Hier können Interessenten in die Goba-Welt eintauchen und die Produkte sowie die ganze Markenwelt hören, riechen, schmecken und erleben. Ein Erlebnis, das sicher lange in Erinnerung bleiben wird.
Das Mineralwasser der Goba ist nicht anders als andere Mineralwasser, aber das Gefühl beim Konsum ist ein anderes. Die unverwechselbare Identität des Unternehmens wird spürbar, wann immer man mit einem ihrer Produkte in Berührung kommt. Und dies gründet nicht auf einem riesigen Werbebudget, sondern einer starken Markenidentität und Kreativität.
Was wir in Erinnerung behalten sollten:
- Markenbildung ist weniger eine Frage der Grösse, des Geldes oder der Bekanntheit. Markenbildung ist vielmehr eine Frage von Werten, einer Haltung und einer Geschichte.
- Die Marke gehört dem Kunden. Sie gibt ein Versprechen ab. Sie wird in den Köpfen gebaut. Der subjektive Qualitätsvorsprung ist entscheidend. Und: das Logo ist noch KEINE Marke.
- Die Marke baut und führt der Chef. Die Markenidentität ist das Fundament, die Markenpositionierung verhilft zur Differenzierung. Die Inszenierung macht die Marke erlebbar.
- Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einem fokussierten und konsequenten Tun, einem prozessualen Denken und Handeln sowie der Beachtung bestimmter Regeln.
Quellen:
- Franz-Rudolf Esch, Strategie und Technik der Markenführung, 6. Auflage,
Verlag Vahlen - Achim Burkhardt/Henrike Dores, Markenaufbau,
Erfolgsfaktor für den Mittelstand, Taikn - Achim Burkhardt, Die sieben Todsünden des Corporate Branding, Taikn
- Albrecht, Tschierschke, Ruckenbrod, Markenbildung ist keine Frage der
Grösse, E-Journal Marke - Vera Hermes, Sternenstaub an der Marke, Lovemarks