Ein persönlicher Bericht von Marius Lindenmann zu seiner Diplomarbeit.
Im Rahmen der Diplomarbeit zum diplomierten Gestalter HF Kommunikationsdesign hatte unser Polygraf Marius Lindenmann die Aufgabe, eine redaktionelle Gestaltung zum Überbegriff «Pro und Kontra» zu realisieren. Dabei setzte er sich intensiv mit der Thematik «Sterbehilfe im Gefängnis» auseinander, um diese anschliessend in Form eines Magazins zu vermitteln.
Recherche und Projektskizze für ein Magazin
Zu Beginn arbeiteten wir oft in Gruppen und diskutierten über die verschiedenen Themen, die bei uns in der engeren Auswahl standen. Im folgenden Schritt musste sich jeder auf ein Thema festlegen und dieses in einer Projektskizze durchplanen. Dazu gehörte auch – wie bei einem reellen Projekt –, einen Zeitplan zu erstellen, um jederzeit den Überblick über den aktuellen Stand zu haben. Zudem konnte hier nun erstmals auch die ganze Recherche miteinfliessen, auf deren Grundlage ich mich danach an die Umsetzung machte. Wichtig war für mich, mir immer vor Augen zu halten, was ich machen möchte und für wen. So formulierte ich den folgenden Satz als zentrale Fragestellung meiner Projektskizze:
Hat ein Gefangener sein Recht auf den begleiteten Freitod bei fortgeschrittener unheilbarer Krankheit mit der Verurteilung verwirkt?
Diese Frage wollte ich einer breiten Öffentlichkeit stellen, um sie mit dieser unbequemen Thematik auch etwas wachrütteln. Dazu stellte ich «Meinungen» ins Zentrum meines Magazins: die Meinung eines Strafrechtsprofessors sollte ebenso vertreten sein wie jene von normalen Bürgern.
Gestalterische Gehversuche
Nun ging es an die Gestaltung – endlich! Nach einer sehr langen Recherchephase – auch aufgrund der komplexen Thematik – setzte ich mich jetzt mit der Frage auseinander, wie diese Meinungen gestalterisch spannend und variantenreich in Szene gesetzt werden konnten. Moodboards halfen mir, Beispiele zu sortieren und mir diese immer wieder präsent zu halten. Im Fach «Visuelle Systeme» entwickelte ich zwei Raster, die beide auf der Proportion 1:6 und einem daraus konstruierten Hexagon beruhen. Die Raster halfen mir enorm in der Gestaltung, da ich alles – vom Endformat des Magazins über Schriftgrössen, Zeilenabstand, Bildgrössen und -platzierungen bis hin zu Gestaltungselementen – darauf aufbauen konnte. Ich setzte auf diese zwei verschiedenen Rastersysteme, um die geradlinige strenge Seite des Gesetzes, des Gefängnisses und des «Eingesperrt-Seins» auszudrücken und dieses mit dem zusätzlichen Diagonalraster durchbrechen zu können.
Realisierung des Magazins
Für das Cover des Magazins entwickelte ich ein Icon, das ich, ebenfalls mithilfe des Rastersystems, aus dem Hexagon entwickelte. Dargestellt ist in einer abstrakten, aber dennoch bedrückenden Form eine Zelle, die an einer Stelle nicht ganz verschlossen ist. Damit wird die Tatsache aufgegriffen, dass der rechtliche Kontext noch nicht abschliessend geklärt ist und ein Ausweg für Gefangene durch den begleiteten Suizid möglich sein könnte. Die Neutralität stellte generell einen wesentlichen Bestandteil der Arbeit dar, da es das Ziel war, dem Leser die eigene Meinungsbildung zu ermöglichen, ohne diesen in eine Richtung zu drängen. Dies wusste ich einerseits mit ausgewogenen Beiträgen der verschiedenen Standpunkte umzusetzen, andererseits auch immer wieder mit «neutralen Seiten», wie zum Beispiel jene der Gesetzeslage, die weder für die eine noch die andere Seite wirbt.
Um das Magazin durch eine gestalterische Varianz von Anfang bis Ende spannend zu halten, spielte ich mit dem Format und verwendete unterschiedlich grosse und lange Seiten, die ich mit einer Fadenheftung in Handarbeit zusammenband. Ausserdem baute ich ganz zuhinterst eine versteckte Seite ein, hinter der sich die Meinung eines verwahrten Straftäters, mit dem Wunsch zu sterben, verbarg. Die Seite ist vorperforiert und man wird vor die Frage gestellt, ob der Gefangene nun sterben dürfe oder leben müsse. Die Entscheidung kann der Leser selbst aktiv treffen, indem er die Perforation aufreisst und die «Zelle» öffnet oder aber diese verschlossen lässt. Das Magazin sollte in einer Kampagne an die Haushalte versandt werden, um wirklich einen Grossteil der Bevölkerung mit der zentralen Fragestellung in Berührung zu bringen. Das Couvert soll bezüglich Gestaltung an eine Aktenmappe erinnern, wie sie auch bei öffentlichen Ämtern in Verwendung sind. Der Umschlag ist ebenfalls perforiert und muss aktiv an der verleimten Öffnung aufgerissen werden, wobei sich der Leser bereits ein erstes Mal mit dem Thema «unlock» – dies ist auch der Name des Magazins – auseinandersetzen muss.
Rückblick
Ich habe durch das Projekt, das beinahe ein ganzes Semester in Anspruch nahm, nochmals enorm viel dazugelernt. Einerseits in Bezug auf die Wichtigkeit einer fundierten Recherche bei komplexen Themen, andererseits auch, was die gestalterischen Systeme betrifft. Trotz der neutralen Haltung, die ich bei der Gestaltung des Magazins einzunehmen hatte, half mir die Arbeit auch, meine Meinung zum Thema zu bilden. Dies geschah in einem längeren Prozess und nicht in den ersten fünf Minuten nach der Themenwahl, da ich mich mit den Fragen und Antworten der Interviewpartner beider Seiten intensiv auseinandersetzen musste.