«Ich denke, also bin ich.» Aber beim Kaufen, das haben neuste neurologische Studien zutage gefördert, denkt der Mensch in den meisten, nämlich rund 95% aller Fälle, gerade nicht. Vielmehr steuert ihn sein Unterbewusstsein. Und, es kommt noch besser, dieses Unterbewusstsein ist nicht erst im Erwachsenenalter entstanden. Vielmehr wird der erwachsene Mensch bei der Vielzahl seiner (Kauf-)Entscheidungen von einem Unterbewusstsein navigiert, welches sich vor seinem achten Geburtstag, also noch in frühsten Kindertagen, ausgebildet und manifestiert hat: «Ich denke nicht, also kaufe ich», könnte der Merksatz dazu lauten. «Non cogito, ergo emo». Was bedeuten diese Erkenntnisse für die Markenführung von heute?
Alles was wir erleben, ordnen wir unterbewusst Situationen und Erfahrungen zu, sogenannten «Imprints», die bereits in frühsten Kindertagen unauslöschlich in uns «abgespeichert» wurden. Und so funktionieren wir nicht nur bei der Interaktion mit anderen Menschen, sondern auch bei unserem Umgang mit Marken, Produkten und Dienstleistungen.
Herkömmliche Markenführung fasst oft – nicht immer – auf drei Grundgedanken:
«Die Marke muss Monopolstellung in der Psyche der Verbraucher innehaben», «Die Loyalität ihrer Kunden ist das wichtigste Gut eines Unternehmens» und «Marken sind erfolgreich aufgrund funktionaler Kauftreiber».
Wenn es doch nur so einfach wäre, dann würden einmal etablierte Marken immer erfolgreich sein, Kunden würden keine Produkte wechseln – und neue Marken hätten im Meer der bereits bestehenden Angebote keine Chance. Aber: Dem ist nicht so. Denn bei dieser Denkweise fällt ein entscheidender Aspekt für erfolgreiche Markenführung unter den Tisch: nämlich die Bedeutung von emotionalen und psychologischen Faktoren.
Wie einflussreich diese Faktoren tatsächlich sind, haben aktuelle neuropsychologische Studien zutage gebracht. Glaubt man diesen, wird die Markenführung der Zukunft umdenken müssen. Und zwar nicht zu knapp. Neuere neuropsychologische Erkenntnisse gehen in folgende Richtung: Unser Gehirn funktioniert auf Grundlage zweier Systeme – dem «Impliziten» (man könnte es auch Autopilot, oder «Unterbewusstsein» bezeichnen) und dem «Expliziten» (auch Pilot oder «Bewusstsein» genannt.)
Das implizite, unbewusste, System ist quasi dreistufig angelegt. Die erste Stufe verkörpert die Neurologie – also die tatsächlichen physischen Gegebenheiten des menschlichen Gehirns. Stufe zwei stellt die Kultur dar. Sie beinhaltet unsere individuelle Prägung, die jeder Einzelne durch Umweltreize irreversibel in sein Verhaltensrepertoire aufnimmt. Die letzte und dritte Stufe des Impliziten stellt die Psychologie dar. In ihr kommt die Einzelpersönlichkeit, das Selbstkonzept und schlussendlich der Charakter zum Tragen.
Dieses dreistufige implizite System lässt uns im Alltag intuitive, spontane Entscheidungen treffen. Es navigiert uns, bestimmt unsere Sinneswahrnehmungen, wie etwa Marken-Assoziationen, und verhilft uns gerade auch bei komplizierten Entscheidungsfragen schnell und richtig zu handeln.
Autopilot versus Pilot
Ergänzt und gestützt wird dieses implizite, einem Autopiloten vergleichbare, System durch das explizite System. Dieser bewusste Pilot springt ein, wenn keine intuitiven, impliziten Entscheidungen möglich sind – oder wenn diese einer Überprüfung unterzogen werden müssen. Untersucht man mittels einer Magnetresonanztomographie (kurz: MRT) die Gehirn-Reaktionen von Testpersonen, stellt man fest, dass die Regionen, in denen das implizite System angesiedelt ist, reagieren, sofern es um die Wahrnehmung und Bewertung von Marken geht. Daraus lässt sich rückschliessen, dass Konsumentenentscheidungen zum Beispiel am POS zum überwiegenden Teil vom impliziten System gefällt werden, also unterbewusst ablaufen. Vieles deutet darauf hin, dass implizit sogar die grosse Mehrzahl der Kaufentscheidungen gefällt werden.
Schön und gut. Doch was bedeutet das konkret für die Markenführung der Zukunft? Denn unterbewusst heisst noch nicht gleich positiv. Und selbst wenn «positives Unterbewusstes» zum Einsatz kommt: Wie kann eine Marke gesteuert und inszeniert werden, um einen gewertschätzten Platz im Unterbewusstsein einzunehmen?
Bewunderte und geschätzte Marken strahlen eine Faszination für den Konsumenten aus. Diese basiert auf drei Pfeilern: Der Markensympathie (Das ist meine Lieblingsmarke), der Glaubwürdigkeit (Davon bin ich noch nie enttäuscht worden) und der Einzigartigkeit (Damit gönne ich mir was Besonderes).
Die so gewertete Marke ist also bis an den Rand mit positiven Gefühlen aufgeladen. Es triggert damit unmittelbar unser implizites System. Der reine Produktnutzen einer Marke, der in der heutigen Angebotsvielfalt kaum mehr wahrzunehmen ist, rückt damit in den Hintergrund. Vielmehr verspricht die Marke mit ihrem Produkt dem Konsumenten die Befriedigung seiner Bedürfnisse. Und zwar besser, als es das Produkt eines Mitbewerbers könnte. Und mehr noch: Das Bedürfnis wird nicht nur befriedigt – die Bedürfnisbefriedigung ist so stark, dass sie einer Belohnung gleichkommt.
Wünsche werden wahr
Last but not least bedeutet das nichts anderes als: Eine starke, positive Marke differenziert sich dadurch von ihren Mitbewerbern, indem sie besser als diese die von den Zielgruppen gehegten Wünsche erfüllt.
Um Marken einen positiven Platz in unserem Unterbewusstsein einzuräumen, geht es folglich darum, sie mit Werten zu versehen, die seit frühster Kindheit als gut, richtig und besonders in uns «verankert» sind. D. h.: Prägungen unseres in Kindertagen «eingebrannten» Autopiloten , die sog. Imprints, müssen aktiviert werden. Dann wird ein dauerhaftes und emotionales Involvement des Kundengeneriert. Dann klappt die erfolgreiche Markenführung.
Mehr über unterbewusste Einflüsse, wie etwa Motive und Werte erfahren Sie im zweiten Teil dieses Beitrags: Neuropsychologie und Markenführung – Teil 2
PDF: Mensch Marke Magazin – Neuropsychologie & Markenführung